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Erste Zeit

Nun lebe ich schon einige Wochen in Kanada und es ist wirklich der Wahnsinn, wie schnell die Zeit vergeht. Einerseits fühlt es sich an, als hätte ich mich letzte Woche erst verabschiedet und als wäre ich gerade erst angekommen und andererseits ist schon so viel passiert, ich habe schon so viel erlebt und der Alltag hier ist für mich schon zur Normalität geworden. Bei manchen Dingen braucht man etwas länger, aber an viele Dinge habe ich mich ganz schnell gewöhnt. Es ist verrückt, dass jetzt schon so viele Tage vergangen sind, denn es ist ein ganz neues Alltagseben, das ich hier momentan führe. Manchmal, wenn ich mit meiner Familie und mit meinen Freunden Zuhause telefoniere, muss ich erst einmal registrieren, dass sie viele Kleinigkeiten ja gar nicht wissen, bei denen ich automatisch davon ausgehe, dass sie wissen worüber ich spreche. Sonst war es immer so, dass ich einfach anfangen konnte etwas zu erzählen und sie wussten sofort worum es geht, weil ich ihnen entweder davon erzählt hatte oder sie es miterlebt haben. Momentan habe ich also sozusagen zwei Leben, die mir beide wichtig sind, aber komplett voneinander separiert sind. Auch, wenn ich gerade hier lebe, spiele ich ja trotzdem noch eine wichtige Rolle in meinem Leben Zuhause und umgedreht genauso. Trotzdem wache ich momentan in einem anderen Bett auf, frühstücke in anderer Gesellschaft und habe in der Schule eine andere Umgebung-und das jeden Tag, als wäre es das Normalste der Welt. Die ganzen Kleinigkeiten, die erlebe ich hier und das, ohne, dass ich jemanden aus meiner gewohnten Umgebung um mich herum habe. Das ist ein total komisches Gefühl, dass aber immer mehr nachlässt , weil der Alltag hier von Tag zu Tag bedeutender für mich wird. Ich glaube einfach, dass da so viel mehr ist, durch das man sich durchprobieren muss und was letztendlich einfach Schicksal ist. Ich könnte mir bei manchen Leuten, die ich, seit ich hier bin, getroffen habe, schon gar nicht mehr vorstellen wie es wäre, wenn ich sie nicht kennen würde oder ihnen nie begegnet wäre. Für mich ist es total schwer zu begreifen, dass jede kleine Entscheidung, die ich treffe, meine ganze Zukunft beeinflusst. Natürlich war mir das auch vorher schon bewusst, aber hier merkt man es nochmal viel deutlicher, jeden Tag aufs Neue. Was wäre, wenn ich mich nicht für Vancouver Island, sondern in einen ganz anderen Ort auf dieser großen, weiten Welt ausgesucht hätte? Dann hätte ich alle Menschen, die ich jetzt schon so sehr ins Herz geschlossen habe, nie kennen gelernt. Was wäre, wenn ich mich für eine andere Schule oder eine andere Stadt der Insel entschieden hätte? Dann hätte ich vermutlich ganz andere Erfahrungen gemacht und jetzt ein ganz andere Zeit in Kanada. Als ich mich entscheiden musste, war es mir völlig gleichgültig, auf welchen Ort es letztendlich hinauslaufen wird. Wie soll man eine Entscheidung treffen können, wenn man nicht weiß, was es für diese für dich bereit hält und wie es dein weiteres Leben beeinflussen wird?

Natürlich hat es auch was mit dem Ort zu tun, an dem du dich befindest, aber viel wichtiger ist dein Verhalten und was du aus der Situation machst. Am Anfang war es nämlich gar nicht so leicht, vor allem, bei kanadischen Freunden, den Anschluss zu finden. Während des Fluges waren alle sehr interessiert daran einander kennen zu lernen, weil wir alle in der selben Situation waren. Ich habe mich also darauf eingestellt, dass die Leute auch weiterhin auf einen zukommen werden. Es hat mich ein bisschen überrascht, aber es ist hier nichts besonderes, wenn man auf einen internationalen Schüler triffst. Wahrscheinlich liegt das daran, dass die Schüler hier schon oft die Erfahrung gemacht haben, dass sie sich mit Austauschschülern angefreundet haben und sie auf einmal einfach wieder abgereist sind und ihr Leben auf der anderen Seite der Welt weiter gelebt haben. Außerdem kommen hier jedes halbe Jahr neue Leute an. Es ist nicht so, dass die Kanadier unfreundlich sind oder sich nicht freuen, wenn man auf sie zu geht-im Gegenteil, aber man muss sich vorstellen und von sich aus auf sie zugehen. Natürlich habe ich schon kanadische Bekanntschaften gemacht und ich habe zum Beispiel mit ihnen zu Mittag gegessen. In meinem Drama Kurs habe ich auch wirklich schon sehr liebe Freunde, die hier auch leben, aber das wächst mit der Zeit. Man muss ein bisschen Geduld haben. Auch jetzt verbringe ich außerhalb der Schulzeit noch eher Zeit mit anderen Deutschen, Japanern und Franzosen. Wir waren zum Beispiel schon zusammen am Strand Volleyball spielen. Wir haben uns einen Ball in der Schule geliehen und auf ging es. Wir lagen im Gras und haben eine kleine Pause gemacht, als auf einmal eine Frau (schätze sie war so 30 Jahre alt) zu uns kam und uns gefragt hat, ob wir einen Ball haben. Wir haben ihre Frage bestätigt und sie war sofort Feuer und Flamme mit uns zu spielen. Also ging es barfuß in den Sand, die Musik wurde etwas lauter gedreht und wir haben angefangen zusammen zu spielen. Sie hat uns gesagt wie toll es wäre, dass wir das alles machen und meinte wir müssen alles so gut wie möglich genießen. Aus dem nichts hat sie sich in den Sand fallen lassen und einfach nur gelacht oder kam zu uns und hat uns umarmt. Es hat wirklich Spaß gemacht, sie hat uns motiviert. Als es am besten war, ist sie einfach mit einem lächeln vom Feld gegangen und war so schnell weg, wie sie auch gekommen war. Einerseits war es ein bisschen merkwürdig, andererseits war es glaube ich einfach ihre Absicht, uns dazu zu bringen, unsere Zeit hier zu genießen. Solche Begegnungen lassen immer ein kleines Rätsel offen und sind doch irgendwo sehr schön und auch hilfreich. Wir haben auch schon Pizza zum Strand bestellt oder sind einfach ein bisschen durch den Second-hand-Laden gebummelt. Mit die schönsten Momente, seit ich hier bin, hatte ich auf jeden Fall am Transfer Beach. Wir haben auch schon den Sonnenaufgang von dort beobachtet und mit unserer Musikbox, dem Tim Hortons Kaffee und der Kamera, den Morgen einfach nur zu einem Unvergesslichen gemacht.

Am Anfang war ich mir ein bisschen unsicher, ob eine kleine Stadt, wie Ladysmith, wirklich das Richtige für mich ist, weil ich ja eigentlich lieber etwas Neues ausprobieren wollte. Es ist ein bisschen schade, dass die Busverbindung hier nicht so gut ist und wir deshalb nicht so viele Möglichkeiten haben, um die weitreichende Gegend zu erkunden. Mittlerweile bin ich allerdings wirklich froh, dass es so gekommen ist. Es ist sehr persönlich und ich fühle mich wirklich wohl hier. Wenn man die Hauptstraße entlang geht, hat man einen super Blick auf einen großen Berg und über der Straße sind Lichterketten gespannt, was besonders abends, während des Sonnenuntergangs, sehr schön ist. Sogar ein Film bzw. eine Serie wurde hier schon gedreht, seit ich hier angekommen bin. Berühmt ist Ladysmith besonders für den „Sonic the Hedgehog-Film“, der vor einiger Zeit gedreht wurde. Es war wirklich cool, das Alles so mit zu beobachten. Es wurden amerikanische Flaggen aufgehängt, der Verkehr wurde umgeleitet, wir wurden zwischendurch wegschickt, als wir auf einer Bank etwas gegessen haben und meine Gastmutter hat erzählt, dass sogar schon einmal Gebäude für einen Film umgestrichen wurden. Zwar kann man leider nicht so viel unternehmen, aber unter der Woche haben wir oft auch überhaupt keine Zeit dafür. Wenn die Schule am Morgen startet, verbringe ich oft fast meinen ganzen Tag dort, denn ich habe zweimal in der Woche noch Volleyball-Training nach dem Unterricht. Das geht dann gute zwei Stunden und wenn ich dann danach noch zu Fuß nach Hause gehe, esse und Hausaufgaben mache, ist der Tag auch schon wieder vorbei und ich kann glücklich in mein Bett fallen!

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